Eine kleine metaphorische (und fiktive) Geschichte:
"Ein Kind malt in der farbenfrohen Mal-Ecke der KiTa ein Bild mit alten Buntstiften. Dann kommt eine Erzieherin und bringt nagelneue, hochwertige Buntstifte: 'Schau mal hier, mit denen kannst du viel schöner malen.' Im gleichen Atemzug nimmt sie das gemalte Bild des Kindes und schmeißt es weg."
Klingt total unangebracht? Finde ich auch…
Vor allem im Change, als Führungskraft, Projektleiter:in oder Change Manager:in - die, die den Change vorantreiben und den Mehrwert sehen - tendieren wir dazu, "das Neue" (z.B. neue Prozesse, Softwareprogramme, etc.) immer als die bessere Lösung zu bewerten. Das Neue kann z.B. ein neuer Führungsstil durch einen Positionswechsel, eine Prozessoptimierung oder eine neue Softwarelösung sein, die eingeführt wird. Doch wenn wir sagen "das Neue ist besser", sagen wir automatisch auch "das Alte ist schlecht(er)"!
Das Problem, das durch die Veränderung oder Neueinführung gelöst werden soll, war damals die Lösung für ein damaliges Problem.
Was ich damit sagen möchte:
- Die Menschen in der Organisation haben sich damals Gedanken gemacht und es gibt einen guten Grund für die Entscheidungen der Vergangenheit und
- das, was jetzt als Lösung angesehen wird, bringt in Zukunft neue Lösungsprobleme mit sich (Keine Lösung ohne Lösungsproblem!).
Bei Veränderungs- und Transformationsprozessen liegt ein großes Potenzial daher in der Wertschätzung der Vergangenheit.
Um auf das KiTa Beispiel zurückzukommen: Wäre es nicht viel schöner und angebrachter, wenn die Erzieherin das Bild eingerahmt und dem Kind oder den Eltern geschenkt hätte, anstatt es wegzuschmeißen?
Das heißt nicht, dass alle Veränderungen schlecht oder sinnlos sind. Jede Lösung muss mitsamt ihrer Lösungsprobleme abgewogen und im Kontext betrachtet werden.
Vielmehr kommt es auf die Changestory und die Message an, die dahintersteht. Wenn ich als langjährige Mitarbeiterin das Gefühl habe:
- Das, was ich die letzten 20 Jahre gemacht habe, war nicht falsch.
- Ich kann wertvolles Wissen und Erfahrungen mit in die Gegenwart und Zukunft nehmen; es wird gehört und ernst genommen.
- Die Passung des "Neuen" mit den Anforderungen der Umwelt ist höher als des Bisherigen.
… dann steigt mit großer Wahrscheinlichkeit meine Akzeptanz, um die Veränderungen mitzugehen und vielleicht sogar anzutreiben.