Was war der Auslöser für uns, Kanban einzuführen und welches Problem wollten wir mit Kanban lösen?
Eine stark gewachsene Anzahl von Projekten und Kundenanfragen bei gestiegener Komplexität machte es schwierig, besonders die strategischen Weiterentwicklungsprojekte im Blick zu behalten und zu priorisieren. Es wurde nötig, eine Übersicht, also ein möglichst gutes Verständnis der jeweils aktuellen Arbeitssituation, zu gewinnen: An welchen Dingen arbeiten wir gerade? Welche Aktivitäten sind zentral? Wer arbeitet woran? Wie lange dauert welche Arbeit? Und wann sieht der Kunde etwas davon?
Auch unser Management Tool, mit dem wir sehr zufrieden sind, kann die Komplexität nicht auf einen Blick abbilden. Denn unsere Projekte sind nicht ins Detail planbar und müssen agil und dynamisch dargestellt werden.
Am leichtesten fiel uns die Visualisierung. Gemeinsam sind wir unsere Projekte durchgegangen und haben sie erst einmal etwas „hemdsärmelig“ auf Post it’s festgehalten, die auf einer Pinnwand sortiert wurden. Die Spaltenüberschriften für dieses vorläufige Bord lauteten: ‚Backlog‘; ‚Im Planungsstadium‘; ‚Doing‘ und ‚Testing‘. Dann kam zu unserer eigenen Motivation noch ein Feld ‚Done‘ hinzu.
Nun stellte sich die Frage ob ein elektronisches Werkzeug der „Papierwand“ vorgezogen werden sollte. Hier verlassen wir uns nun auf die Erfahrungen, die andere bereits gemacht haben und die zeigen, dass die Verwendung eines physischen Boards einige Vorteile hat:
- Sichtbarkeit für alle Beteiligten – Das ganze Team kann sehen, wer woran und in welchem Stadium arbeitet.
- Veränderbarkeit – Gerade bei neuen Kanban-Implementierungen ändert sich die Strukturierung des Kanban-Boards anfänglich sehr stark. Häufig klären sich Arbeitsabläufe erst, wenn bewusst mit ihnen gearbeitet wird.
- Zentraler Interaktionspunkt – Gespräche über den Status des Projektes und was zu tun ist, passieren häufig vor dem Board, weil hier viele notwendige Informationen zentral bereitstehen.
Ganz im Sinne der Wiederentdeckung des Analogen blieben wir also bei Post it’s, die inzwischen etwas stilvoller und für alle sichtbar ihren Platz auf einem wandfüllenden Board im Flur haben.
Kanban-Testversion auf Papier und fest installierte Kanban-Wand ganz zentral im Büroflur
Wo kommt Kanban her?
Als Methode der Produktionsprozesssteuerung hat Toyota Kanban in den 1950er Jahren entwickelt. Das Planungssystem hatte zum Ziel, Lagerhaltung zu reduzieren und jede Fertigungsstufe optimal zu steuern. Damit sollten Engpässe vermieden und schnellere Durchlaufzeiten erreicht werden.
2007 dann hat David Anderson das System auf IT-Projekte übertragen, und damit den Fluss der Arbeit nach dem Prinzip der japanischen Karten visualisiert. Eine schnellere und effizientere Bearbeitung war damit auch im Bereich projektgebundener Arbeit möglich.
Wie funktioniert Kanban?
Dreh- und Angelpunkt der kanbanspezifischen Problemlösung ist die Visualisierung der Projekte auf Karten (japanisch: Kanban). Einzelne Arbeiten werden in unserem Fall auf Post it’s dargestellt, auf denen Kerninformationen zur speziellen Aufgabe, der verantwortliche Bearbeiter oder auch das Startdatum erfasst sind und die nach dem Pull-Prinzip von links nach rechts wandern. Dazu brauchte es zuerst einen Backlog, also eine To-Do- oder Aufgabenliste, die im nächsten Schritt priorisiert werden musste.
1. Kanban-Praktik: Mach Arbeit sichtbar
Die Menge der Aufgaben, an denen gleichzeitig gearbeitet werden darf, muss begrenzt werden. Das ist wohl einer der Teile, die die meiste Disziplin erfordern.
2. Kanban -Praktik: Limitiere parallele Tätigkeiten
Und schließlich werden ‚Bottlenecks‘, an denen sich die Arbeit staut durch eine Ansammlung von Post it’s bei einer Person oder einem Projektteam sichtbar. An diesen Stellen muss das System verbessert werden, zum Beispiel durch die Umschichtung von Ressourcen oder eine andere Aufteilung der Arbeit.
3. Kanban-Praktik: Manage den Arbeitsfluss
Alle im Team müssen Klarheit über die Bedingungen haben, unter denen mit Kanban gearbeitet wird. Wie viele Aufgaben dürfen gleichzeitig bearbeitet werden? Wann rutschen die Karten in die nächste Rubrik? Welche Informationen gehören auf die Karten?
4. Kanban-Praktik: Mache Prozessregeln explizit
Leider reicht es nicht, Probleme oder Beobachtungen nur sichtbar zu machen. Erst wer sich Zeit nimmt, sie auch zu verstehen, ihnen also auf den Grund geht, kann Gegenmaßnahmen ergreifen. Feedback-Zyklen sind der Motor für kontinuierliches Lernen und damit für kontinuierliche Verbesserung. Ohne sie ist die schönste Visualisierung nichts wert.
5. Kanban-Praktik: Implementiere Feedbackzyklen
Aus den Feedbackschleifen entstandene Experimente werden dann auf den Prozess angewendet. Ihre Ergebnisse sind anschließend wieder zu überprüfen. Nur so lässt sich beurteilen, ob das ursprüngliche Problem gelöst ist oder andere Maßnahmen zu ergreifen sind.
6. Kanban-Praktik: Erziele Verbesserung kooperativ und entwickle experimentell (verwende dazu Modelle)
Für uns heißt es aber nun erstmal gemeinsam zu Priorisieren und regelmäßig Meetings vor unserem Board abzuhalten, um festzustellen wie es funktioniert. Frei nach dem Kanban-Slogan «Stop starting, start finishing». Ob und wie das funktioniert, darüber berichte ich beim nächsten Mal.
Eine Anmerkung zum Schluss: Ganz analog geht es auch nicht. Unsere Berater sind viel unterwegs. Damit sie immer auf dem neuesten Stand sind, verschicken wir regelmäßig Fotos vom Board als Anhang unserer Teammeeting-Protokolle.
Und wer sich noch tiefer mit dem Thema beschäftigen will, das Buch „Kanban: Verstehen, einführen und anwenden“ von Mike Burrows beschreibt die Methode sehr praxisbezogen.
Autorin: Rike Ullenbaum