In Veränderungsprozessen und dem Vorhaben "Mitarbeiter:innen mitzunehmen" wird ein Abschnitt oft als besonders anstrengend beschrieben: die Widerstandsphase. Dass dabei schon die Bezeichnung dieser Phase keine freudigen Assoziationen auslöst, ist wahrscheinlich eher negativ verstärkend als hilfreich.
Was könnte in Bezug zu Widerstand hilfreich sein?
Erstmal vielleicht, dass Widerstand ein natürliches Phänomen von Veränderungsprozessen in sozialen Systemen ist. Damit ist die Ideologie von “gutes Change Management verhindert Widerstand” passé. Wir verstehen gutes Change Management eher darin, wenn wichtige Bedenken konstruktiv aufgenommen werden und in Entscheidungen einfließen. Daher "refraimen” wir diese Phase oft in unserer Arbeit und bieten Organisationen die Beschreibung "Loyalität zur Organisation” an. Versteht man Widerstand als Loyalität zum Bestehenden, dann fällt es oft leichter die darin (teilweise verborgenen) Bedenken zu sehen und nicht das personal zugeschriebene “bockige” Verhalten. Fragen, die wir in diesem Kontext stellen, sind zum Beispiel: “Was würde passieren, wenn wir nichts ändern?” oder “Was kostet uns die Veränderung?”
Widerstand als Chance: Die Macht der Routinen in Organisationen
Weiter hilfreich, um Widerstand zu nutzen, kann das Wissen sein, dass Organisationen als soziale Systeme auf Routinen aufgebaut sind. Routinen sind die Erfolgsrezepte der Vergangenheit, die so lange aufrechterhalten werden, bis sie bewusst reflektiert und b.B. verändert werden. Am Bestehendem festhalten, für Stabilität sorgen, ist daher die Leistung einer Organisation. Sich nicht-verändern ist für eine Organisation natürlicher, als sich zu verändern. Damit Veränderungen dennoch gelingen können, hilft es u.a. das Bestehende zu wertschätzen. “Was wollen wir verändern und was soll auch so bleiben, wie es ist?”, “Wie war der Kontext es damals zu entscheiden und wie ist der Kontext jetzt bzw. zukünftig?", sind dabei hilfreiche Fragen.
Mythos Vorhersagbarkeit
In organisationalen Veränderungsprozessen passiert es allzu schnell, dass man in die Falle tappt, vom Verhalten einer Person auf die Person zu schließen, statt auf die Logik der gebauten Organisation. Ein Veränderungsprozess hängt damit nicht hauptsächlich von den Fähigkeiten der Einzelnen ab, sondern von der gemeinsamen Reflexion bestehender Muster und Routinen. Gelangt die neue Entscheidung in die Kommunikation und wird Gegenstand von Entscheidungen, kann man von “erfolgreich verändert” sprechen. Dann ist das Neue existent in einem sozialen System.
Vorher existiert es ggf. auf Papier oder in den Köpfen Einzelner. Dabei sind Veränderungen in Organisationen immer soziale Prozesse, die weder kontrollierbar noch vorhersehbar sind. Nachhaltig erfolgreich können sie verlaufen, wenn sie durch die passenden Interventionen begleitet und unterstützt werden. Vorhersehbarkeit und “lupenreine” vordefinierte Pläne sind dabei ein Mythos und kein Anzeichen für gutes Change Management. Wirkungsvolle Begleitung erfolgt kontextbezogen je nach Phase sowie iterativ reflektierend und zielt vor allem auf Vergemeinschaftung (collective sensemaking) ab.