Mit einer agilen Architektur den Überblick in komplexen Zeiten behalten.
In diesem Artikel soll Corona nur ein Platzhalter sein. Ein Platzhalter für die geballte Masse an Unsicherheiten, wie die immer unvorhersehbareren und schneller eintretenden Veränderungen auf den Märkten. Radikale Wendungen zwingen Organisationen dazu sich anzupassen, wenn sie bestehen wollen.
Viele merken, dass sie den internen Projekten, die diese Anpassung vorantreiben, deutlich mehr Gewicht geben müssen. Ständige Prozessverbesserung hilft einfach nicht weiter, wenn der Prozess morgen schon gar nicht mehr benötigt wird. Und immer nur operativ an Kundenprojekten zu arbeiten, verstellt teilweise den Blick auf den Markt und die Veränderungen, die dort vor sich gehen. Plötzlich kommen Konkurrenten aus Ecken, wo man sie nie vermutet hätte und schon ist der beste Stammkunde abgeworben.
„Aber wie sollen wir das organisieren?“, fragen uns Führungskräfte und Projektverantwortliche. „Wir verlieren den Überblick über die Weiterentwicklungsprojekte. Wir sehen den Wald vor lauter Planung nicht mehr. Die Komplexität erschlägt uns! Wo müssen wir denn anfangen und was lassen wir dafür weg? Wie priorisieren wir denn diese Flut an Aufgaben, die wir da identifiziert haben?“ Alles Fragen, die sich kurz zusammenfassen lassen mit: Hilfe, wo ist unser Leitfaden?
Den Leitfaden gibt es nicht? Stattdessen man muss flexibel sein? DOCH! Den gibt es! Und er macht uns flexibel! Oder Sie und wahrscheinlich auch dieses neue junge Unternehmen, das da gerade an Ihnen vorbeizieht. Wir nennen diesen Leitfaden Agile Architektur.
Eine agile Architektur ist vor allem eins: Einfach. Ich sage nicht, dass sie nicht ohne Aufwand zu implementieren ist. Ich sage auch nicht, dass eine solche Umstellung nicht ohne Widerstand und ohne Lernen vor sich geht. Aber eine agile Architektur reduziert die Komplexität auf das Wesentliche. Sie ist so einfach, dass sie jeder·m innerhalb eines Vormittags erläutert werden kann. Und das ist auch schon der erste Vorteil: Alle werden involviert und damit fließt die geballte Masse an Wissen, Erfahrung, Intelligenz und Herz aus Ihrer Organisation ein.
Das erste, was Unternehmer·innen lernen müssen, ist nämlich, dass das Entscheiden in Zukunft nicht mehr in wenigen Köpfen stattfindet. Nutzen Sie stattdessen die Schwarmintelligenz, die größer ist als Ihre eigene allein! Ihre Mitarbeitenden sind in vielen Dingen, die die tägliche Arbeit mit den Kund·innen betreffen, schlauer als Sie. Und nutzen Sie auch das Wissen von Externen. Oder haben Sie zufällig selbst in Virologie promoviert und kennen sich da ausreichend aus? Kontrolle über die Intransparenz zu gewinnen, heißt das Stichwort. Es werden immer Teile des großen Wissensschatzes unsichtbar bleiben. Aber an den richtigen Stellen muss das Richtige gesehen werden, von allen.
An dieser Stelle wenden Führungskräfte oft ein, dass sich ihre Organisation nur verzetteln würde, wenn alle mitreden. Nein, das wird sie sich nicht. Das Ganze ist so organisiert, dass in kürzester Zeit auf direkten Kommunikationswegen alle relevanten Informationen an die richtigen Stellen fließen. Denn nebenbei liefert die agile Architektur auch eine Meetingstruktur. Und darüber hinaus werden keine Aufgaben mehr gestartet, die nicht priorisiert und in eine durchdachte Reihenfolge gebracht wurden. Mit einer agilen Architektur schaffen Sie eine Verzahnung der verschiedenen Vorhaben, Rollen und Funktionen, vermeiden dadurch redundante Arbeit und Widersprüchlichkeiten.
Grafik 1: Eine Meeting-Architektur in agilen Unternehmen. Am Ende der Seite können Sie die Grafik als PDF herunterladen.
Das kostet Sie zu viel Zeit? Zugegeben. Zu Beginn müssen Sie einige Tage investieren, mit einer großen Beteiligung. Aber so schnell werden Sie noch nie vorangekommen sein. Sie entwickeln mit dem gesamten Team ein planvolles Vorgehen mit klaren Zuständigkeiten, bei dem alle wissen, mit wieviel Umfang sie an welcher Aufgabe zu welchem Zeitpunkt arbeiten werden. Und Sie können das auch noch völlig transparent auf einen Blick sehen. Gut, für diesen Blick müssen Sie eine große Wand (am liebsten einen großen Monitor) zur Verfügung stellen, auf welcher die Artefakte in Form von Kanban Boards abgebildet werden können.
Grafik 2: Beispiel einer agilen Architektur als Kanban-Board. Sie können die Grafik am Ende der Seite als PDF herunterladen.
Sie wollen lieber keine Experimente machen? Ohne Versuch und Irrtum, ohne mutiges Experimentieren und ohne Fehler willkommen zu heißen, hätte es das hippe Startup, das sich Konkurrenz nennt, auch nicht geschafft. Experimente gehören zur Zukunftssicherheit, so wie auch Corona irgendwie zu unserer Zukunft dazugehören wird. Man kann sich darüber ärgern oder es ablehnen, aber das ändert nichts.
Manch eine Führungskraft wendet ein: „Um Gottes Willen, da muss ich ja all meine Werte über den Haufen schmeißen?“ Nein, tun Sie das bitte nicht! Das ist einer der größten Irrtümer! Die Werte der Organisation bilden die Grundlage Ihrer Strategie. Überprüfen Sie die Grundwerte ab und zu mit den am Markt vorherrschenden Trends. Wer z.B. heute noch die Überzeugung vertritt, dass nur anwesende Mitarbeitende auch gut arbeitende Mitarbeitende sind, der hat in den vergangenen Monaten eine wesentliche Entwicklung verpasst. Schaffen Sie auf den Grundlagen, die in Ihrer Organisation vorherrschen, passende Lösungen für Ihre Kund·innen. Gerade ökologische Trends sind gerade sehr zukunftssichernd. Ach so, Sie sind Zulieferer der Kohleindustrie?!? Na, es gibt sicher noch Glas-, Metall- oder Abfall-Unternehmen, die einiges von Ihnen lernen können, oder nicht? Wirklich nicht?
Hier können Sie sich eine beispielhafte agile Architektur als PDF herunterladen
Autorin: Rike Ullenbaum