Die digitale Transformation ist kein technischer, sondern ein sozialer Prozess
Das Thema Digitalisierung ist schon breit diskutiert worden und scheinbar wurde alles dazu gesagt. Aus systemischer Sicht gibt es aber weitere Aspekte und Perspektiven. Denn Digitalisierung ist weit mehr als nur der vermehrte Einsatz von Computern und Software.
Betrachtet man die Kommunikationsprozesse, dann zeigt sich, dass Computer bereits begonnen haben mit zu kommunizieren. Sie verhalten sich nicht mehr wie triviale Maschinen, bei denen ein definierter Input einen vorhersehbaren Output liefert. Stattdessen sind sie eher wie eine Blackbox, bei der die Vorgänge im Inneren nicht beobachtet werden können, wo Manipulationen möglich und Algorithmen am Werk sind, die wir Menschen nicht mehr durchschauen. Sie haben somit immer mehr Einfluss auf die Entwicklung von Gesellschaft und sozialen Systemen.
Digitalisierung - ein sozialer Prozess?
Unternehmen sind damit vor die Herausforderung gestellt, die digitalen Einflüsse in die analoge Kommunikation zu integrieren. Es bedarf einer reflektierteren und bewussteren Gestaltung der Kommunikation und eines antiintuitiven Blick auf das Thema. Oder wie es der Soziologe Dirk Baecker treffend formuliert: "Die digitale Transformation ist kein technischer, sondern ein sozialer Prozess."
Dauer: 0:51 Std.
In Folge 7 von "Antiintutiv - der Podcast für systemisches Denken in der Wirtschaft" laden Holger Schlichting und David Agert zu neuen Sichtweisen zum Thema Digitalisierung ein. Durch das Gespräch leiten Tobias Dehler und Martin Mayer, die mit ihren Fragen und Ergänzungen das Gespräch bereichern. Wir wünschen gute Erkenntnisse beim Hören.
Oliver Makowsky-Stoll schreibt:
20.07.2023, 18:34
Lieber Holger,
vielen Dank für die folgende Einsicht aus dem Podcast:
Die Digitalisierung im engeren Sinne Daten kann als ein dreistufiges Verfahren verstanden werden: Daten werden codiert, die codierten Daten werden durch Algorithmen bearbeitet, die den Umgang mit den Daten regeln, und schließlich die bearbeiteten Daten an einer Schnittstelle ausgegeben. Die Algorithmen sind durch andere(s) zuvor definiert, sind aber für den Nutzer im Kommunikationsprozess nicht durchschaubar: Der Nutzer weiß in der Regel nicht, wie die Daten verarbeitet werden. Dieser Verarbeitungsprozess stellt (für den Menschen) eine extreme Intransparenz her. Der eigentliche Gedanke "durch Digitalisierung entsteht Eindeutigkeit" wandelt sich in sein genaues Gegenteil um.
Wir befinden uns in einem (gesellschaftlichen) Prozess, in dem wir ein Kontrollproblem bekommen: Wir bekommen auf der einen Seite einen Kontrollüberschuss, weil wir alles und nichts messen und überwachen können, und auf der anderen Seite verlieren wir die Kontrolle über den (gesellschaftlichen) Prozess.
Die praktische Relevanz dieser Einsicht habe ich schon häufiger erlebt. Das mag ein Grund sein, warum es so schwer fällt, manchen Expertinnen und Experten die Excel-Tabellen zu nehmen, um statt dessen schnellere, billigere und zuverlässigere Automatisierungen anzubieten. Durchaus zu Recht müssen zum Beispiel Menschen mit Controlling-Aufgaben damit rechnen, am Ende Rechenschaft organisieren zu müssen für Kennzahlenwerte, deren Fertigstellung sie selbst scheinbar nicht mehr nachvollziehen können. Also: Der Expertenstatus steht auf dem Spiel! Ich kann nachvollziehen, wenn dies beängstigend erscheint und die digitale Transformation in einer Organisation hemmt.
Falls du Literatur kennst, die diesen Punkt auch aufgreift, dann freue ich mich über entsprechende Hinweise :-)
Viele Grüße
oLi