Seit mehreren Jahren bieten Holger Schlichting (PRAXISFELD) und Hans Werner Bormann (WSFB) den Workshop „Fotografie in Coaching und Beratung“ an. Hierbei verbinden die beiden ihre berufliche Leidenschaft für systemische Organisationsberatung mit der Leidenschaft für Fotografie. Holger Schlichting erzählt im Interview, wie es zu der Idee des Workshops kam und was die Teilnehmer dabei erwarten können.
Die Organisationsberatung PRAXISFELD und die WSFB-Beratergruppe aus Wiesbaden verbindet eine langjährige gute Zusammenarbeit miteinander. Wie sind Sie und Hans Werner Bormann dabei auf die Idee des Foto-Workshops gekommen?
Holger Schlichting: Wir arbeiten beide gerne mit einer großen Methodenvielfalt und es liegt uns viel daran, immer mal wieder die eingetretenen Pfade zu verlassen. Und wir wollen auch selber Spaß an dem haben, was wir machen. Aus unserer Arbeit wussten wir aber auch schon, dass jede Form von Visualisierung den Vergemeinschaftungsprozess und sprichwörtlich das gemeinsame Bild einer Situation schneller entstehen lässt.
Dabei klingen Fotografie und Organisationsberatung erst mal nach zwei völlig unterschiedlichen Themen. Wie schaffen Sie es, diese beiden Themen in einem Workshop miteinander zu verbinden?
Holger Schlichting: Aus systemtheoretischer Sicht gibt es viele Verbindungen. Organisationen sind soziale Systeme, die aus Kommunikation bestehen. Zum Beispiel aus der Kommunikation von Erwartungen, Entscheidungen und Beobachtungen, die die Identität und Kultur einer Organisation ausmachen. Eine Fotografie, die ich veröffentliche und zeige, ist ebenfalls Kommunikation, nämliche eine Beobachtung, die ich mitteile.
Eine Organisation, die sich selber reflektieren will, macht das, indem sie sich beobachtet und über sich kommuniziert. Dieser Reflexionsprozess kann sich lohnen, wenn die Organisation z.B. besser verstehen will, welche blinden Flecken sie hat und welche wiederkehrenden Muster wirksame Arbeit, auch Zusammenarbeit, verhindern.
Für diesen Reflexionsprozess ist die Fotografie ein wunderbares Medium, denn man verlässt zunächst den sprachlichen Raum und startet mit einer intuitiven Analyse. Eine Aufgabe wie "Fotografiere Situationen oder Objekte, die in unseren Unternehmen Hierarchie oder Zusammenarbeit ausdrücken“ wird dann aus dem Bauch heraus gelöst.
Im zweiten Schritt lässt man die Teilnehmer zu bestimmten Fragestellungen an den entstandenen Fotografien weiterarbeiten. Hier entsteht die eigentliche Reflexion der Organisation, die prinzipiell unabhängig von der Intention und Kunstfertigkeit des Fotografen ist.
Das heißt, man muss man für den Workshop nicht zwangsläufig schon viel Fotografie-Erfahrung und eine professionelle Ausstattung mitbringen? Und funktionert der Workshop auch, wenn sowohl Laien als auch versierte (Hobby-)Fotografen unter den Teilnehmer sind?
Holger Schlichting: Aus dem Gesagten ergibt sich, dass man mit einem normalen Smartphone schon alles Handwerkszeug hat, was man benötigt. Nach oben sind natürlich keine Grenzen gesetzt. Wer gerne fotografiert, legt oft noch einen ästhetischen Anspruch in das Bild. Das fügt eine weitere Ebene hinzu, die natürlich nicht wirkungslos bleibt.
Wichtiger ist jedoch der eigentliche Vorgang des Sehens. Deswegen üben wir auch das Fotografieren ohne Kamera. Ein guter Beobachter, das ist sicherlich unbestritten, kann spezifischeres Feedback geben und Unterschiede bilden, die anderen entgehen. Gute Unternehmer sind übrigens schon immer gute Beobachter gewesen. Sie haben Dinge entdeckt, die andere nicht sehen konnten. Das ist einen weitere Dimension, die man schulen kann: Die Abwesenheit von etwas.
Was für Objekte werden während des Workshops fotografiert? Sind die Themen dafür vorgegeben?
Holger Schlichting: Als Objekte wählen wir während des Workshops was da ist: Die unmittelbare Umgebung um den Workshoport, den Stadtraum und uns selber. Die Stadtexkursion findet unter einem Thema statt, mit dem man loszieht und beobachtet. Die anschließende gemeinsame Auswertung ist sicher ein Höhepunkt der zwei Tage mit bisher immer wieder sehr faszinierenden Ergebnissen. Wenn wir uns selber als Fotomotive wählen, dann nutzen wir Fotografie als Medium im Coaching. Hier geht es um die eigene Wirkung, das Selbst- und Fremdbild.
Gibt es Rückmeldungen der Teilnehmer aus den Workshops der letzten Jahre, was sie aus dem Workshop für sich und ihre Arbeitspraxis mitnehmen konnten?
Holger Schlichting: Die Teilnehmer sind sowohl Coaches und Berater, die anschließend mit eigenen Teilnehmergruppen an der Unternehmenskultur arbeiten. Und auch immer wieder Führungskräfte, die den Workshop zur Selbsterfahrung nutzen. Darüber hinaus kann man den zwei Tagen einen gewissen Wellnesscharakter nicht absprechen. Sich so ausgiebig und tief, dabei aber auch leicht und spielerisch, mit Kommunikation und Wahrnehmung sowie der eigenen Art die Welt zu sehen zu beschäftigen, macht man ja nicht so oft.
Vielen Dank für das Gespräch!