Innovation auf allen Ebenen
Je nach Blickwinkel kann die Innovationsmethode Design Thinking als Prozess, Toolbox oder Mindset wahrgenommen werden. Im Zusammenspiel dieser drei Wahrnehmungen entfaltet die Methode ihr ganzes Potential. Denn einerseits können Design Thinking Prozesse in klassischer Form als Innovationswerkzeug für Produkte oder Dienstleistungen verwendet werden. Andererseits lassen sich durch Design Thinking Prinzipien Aspekte für die Veränderung der Unternehmenskultur ableiten, die dabei helfen sollen, Kollaboration und Innovation zu systematisieren sowie Agilität und Flexibilität des Unternehmens zu steigern.
Im Fokus von Design Thinking steht immer die radikale Kundenorientierung. Denn steht der Kunde im Mittelpunkt, können neue Erkenntnisse über sein Verhalten und die Bedürfnisse gewonnen werden, aus denen sich kreative Produkte und Dienstleistungen generieren lassen, für die es auch wirklich einen Markt gibt.
Design Thinking als Prozess
In der Literatur und Praxis wird der Design Thinking Prozess in unterschiedlich viele Phasen gegliedert, je nach Ansatz sind es vier bis sieben. Unabhängig von dieser Phasenanzahl wird in jedem Design Thinking Prozess zwischen zwei „Räumen“ beziehungsweise Denkbewegungen unterschieden. Der sich wiederholende (iterative) Prozess ist durch eine Kombination aus divergenten und konvergenten Phasen bestimmt, die als Problemraum und Lösungsraum oder als analytische und synthetische Bewegungen bezeichnet werden. Während die ersten Phasen das Blickfeld um zahlreiche Perspektiven öffnen und erweitern (divergent), werden im zweiten Schritt die Ergebnisse zusammengefasst und konzentriert (konvergent).
Tim Brown, einer der wichtigsten Vertreter der Innovationsmethode, beschreibt den Design Thinking Prozess als eine Kombination aus Inspiration, Ideation und Implementation und dem Zusammenspiel aus Machbarkeit (Was ist in absehbarer Zeit möglich/realisierbar?), Rentabilität (Was generiert betriebswirtschaftliche Vorteile?) und Erwünschtheit (Was sind die Bedürfnisse des Menschen?), an deren Schnittstelle innovative und erfolgreiche Ideen entstehen[1]. Durch einen Design Thinking Prozess sollen also menschliche Bedürfnisse mit der vorhandenen Technologie unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten synchronisiert werden.
Design Thinking als Toolbox und Mindset
Neben dem Verständnis von Design Thinking als iterativen Prozess zur Innovationsgenerierung lassen sich in der Designforschung zwei weitere Formen des Design Thinkings finden. Eine davon beschreibt Design Thinking als Toolbox. In dieser Form wird Design Thinking als eine Ansammlung von verschiedenen Methoden verstanden, um sich in die Lebenswelt des Nutzers hineinzuversetzen und die so gewonnenen Lösungsvorschläge in die Form von Prototypen und anderen visuell-haptischen Darstellungen zu übertragen. Zu dem Werkzeugkoffer gehören nicht nur klassische betriebswirtschaftliche Analysen wie die SWOT-Analyse oder die BCG-Matrix sowie qualitative und quantitative Forschungsmethoden, sondern viele Kreativitätstechniken, welche die Vielfalt der Perspektiven erweitern. Dazu zählen Methoden wie das Brainstorming, Persona, Customer Journey, Empathy Map etc.
Design Thinking als Mindset
Des Weiteren kann Design Thinking auch als Mindset verstanden werden[2]. Daniel Schallmo, Professor an der Hochschule Ulm und Leiter des privatwirtschaftlichen Instituts für Business Model Innovation, definiert vier Prinzipien, die Design Thinking als Mindset prägen. Als erstes Prinzip beschreibt auch Schallmo die Schnittmenge aus den drei Innovationsfaktoren Technologie, Wirtschaftlichkeit und menschliche Bedürfnisse. Weiterhin wird hierbei der Mensch an den Ausgangspunkt gestellt.
Das zweite Prinzip umfasst den Einsatz multidisziplinärer Design Thinking Teams. Ein solches Team setzt sich aus verschiedenen Abteilungen, Hierarchieebenen und Disziplinen zusammen, was auch als „T-Shaping“ bezeichet wird: Eine Verbindung von Design- und analytischen Fähigkeiten. Das Modell T-Shaped bezeichnet einen Mitarbeiter, der die Stärken eines Generalisten und Spezialisten in sich vereint. Bei einem multidisziplinären Design Thinking Team steht der vertikale Balken des T steht für die analytische Ausrichtung, während der horizontale Balken die Eigenschaften eines Designers ausdrückt. Zu den Eigenschaften des Design Thinkers zählt Schallmo Empathie, Experimentierfreude, Optimismus, Neugier, Offenheit für neue Erfahrungen und Erkenntnisse sowie Integratives Denken.
Das dritte Prinzip umfasst das iterative Prozessmodell und schließlich bildet das kreative Umfeld das vierte Prinzip des Design Thinkings. Dieses kreative Umfeld beschränkt sich nicht nur auf die tatsächliche räumliche Ausgestaltung mit Flipcharts, Metaplanwänden, Whiteboards, beweglichen Möbeln etc., sondern meint auch die organisationalen Strukturen. Denn ohne eine offene Organisationskultur, die als Basis für innovative und kreative Ideen gesehen werden kann, versiegt der Denkansatz der Designprozesse. Design Thinking braucht ein förderliches soziales und räumliches Umfeld, um experimentieren und aus Fehlern lernen zu können.
Egal ob Prozess, Toolbox oder Mindset, durch die der Methode innewohnende Kraft kann Design Thinking zu einer tiefgreifenden Transformation der Organisation führen und neue Formen der abteilungs- und bereichsübergreifenden Zusammenarbeit und eine agilere und flexiblere Organisationskultur etablieren. Voraussetzung für diese Transformation hin zu einer zukunftsfähigen Organisation ist der Aufbau von räumlichen und sozialen Strukturen, das Loslassen von festgefahrenen Mustern und die Kombination der neuen Denk- und Arbeitsweise sowie die Einbettung von Design Thinking in die strategische Ausrichtung des Unternehmens.
Autor: Bartosz Czaja
[1] Brown, Tim (2016): Change by design. Wie Design Thinking Organisationen verändert und zu mehr Innovationen führt. München: Verlag Franz Vahlen
[2] Freudenthaler-Mayrhofer, Daniela/Sposato, Theresa (2017): Corporate Design Thinking: Wie Unternehmen ihre Innovationen erfolgreich gestalten. Wiesbaden: Springer Fachmedien Wiesbaden