Ambidextrie – eine Einführung

03.04.2023

Der gesellschaftliche Wandel, der durch das Akronym VUCA beschrieben wird, findet sich in analoger Weise in Organisationen vor. Das Marktumfeld wird zunehmend komplexer; die digitale Transformation verändert Unternehmen aller Branchen, in der die Megatrends als Veränderungsbeschleuniger wirken. Es kommt zu zahlreichen Veränderungen am Markt und im Wettbewerb, kürzeren Produktlebenszyklen, steigenden Serviceanforderungen und potenziellen neuen Wettbewerbern, die durch die Digitalisierung auf zahlreiche Kundenwünsche schnell reagieren können. 

 

Der gesamtgesellschaftliche Wandel hat auch Auswirkungen auf das Produktportfolio der Unternehmen. Um erfolgreich zu bleiben, müssen sich Organisationen den veränderten Umweltbedingungen anpassen und eine Balance aus Prozessoptimierung (Reduktion von Kosten, Erhöhung der Produktivität und Effizienz) und Innovationsausrichtung (Experimentierfreudigkeit, Erschließung neuer Märkte durch revolutionäre Produkte und Dienstleistungen) finden. In der Organisationsforschung wird dieses Phänomen als organisationale Ambidextrie bezeichnet (vgl. Duwe 2018, S. 24). 

 

Ambidextrie bedeutet Beidhändigkeit, also die Fähigkeit, beide Hände gleichermaßen gut einsetzen zu können (vgl. Welpe/Brosi/Schwarzmüller 2018, S. 32). Übertragen auf den organisationalen Kontext wird organisationale Ambidextrie als die Fähigkeit der gleichzeitigen Exploration und Exploitation bezeichnet (vgl. Duwe 2018, S. 24). Tushman und O'Reily definieren die organisationale Ambidextrie als die Fähigkeit, inkrementelle und disruptive Innovation gleichzeitig zu vereinen (vgl. Duwe 2018, S. 24). 

 

Während sich die Exploration mit der Frage beschäftigt, wie Neues in die Organisation kommt und wie revolutionäre, innovative Produkte oder Dienstleistungen entstehen, versteht man unter Exploitation die evolutionäre und inkrementelle (Weiter-)Entwicklung von bereits vorhandenen Produkten neben der Ausschöpfung der Gewinne. Die Exploitation ist auf das gegenwärtige Geschäftsfeld fokussiert und beinhaltet die Effizienzerhöhung und Verbesserung des Bestehenden. Die Exploration hingegen zielt auf die Erkundung und Erschließung von Neuem und Flexibilität im Hinblick auf die veränderten gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen ab – die Exploration ist somit auf das Zukunftsgeschäft ausgerichtet. 

 

"Die organisationale Ambidextrie wird zum Überlebensfaktor"

(Schmidt/Sackmann 2018, S. 9), da Organisationen parallel den strategischen Wandel gestalten müssen, das vorhandene Geschäft optimieren und effektiver entwickeln müssen. Es ist also eine gleichzeitige und parallele Innovations- und Prozessoptimierung zu bewältigen, um die Position des Unternehmens auf dem Markt langfristig zu erhalten und auszubauen, indem auf Umweltveränderungen angemessen reagiert wird und vorhandene Prozesse effizienter gestaltet werden. 

 

Charles Darwin hat postuliert, dass diejenige Spezies überlebt, die sich am besten an die veränderten Rahmenbedingungen angepasst hat. Gleiches gilt auch für Organisationen, die sich vor dem Hintergrund der wechselnden Herausforderungen der VUCA-Welt an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen müssen. 

 

Die beidhändige Organisation schafft es, beide Konzepte miteinander zu vereinen und benötigt dafür Führungskräfte, die sich auf die widersprüchlichen Anforderungen beider Seiten einlassen und für die Organisation entscheiden, welche Richtung eingeschlagen werden soll, um den Weg der Zukunftsfähigkeit zu beschreiten. Beidhändig führende Führungskräfte vereinen exploratives und exploitatives Lernen (vgl. Welpe/Brosi/Schwarzmüller 2018, S. 36) und fördern durch eine Vorbildrolle die Ambidextriefähigkeit ihrer Mitarbeiter*innen.

 

  • Duwe, Julia (2018): Beidhändige Führung. Wie Sie als Führungskraft in großen Organisationen Innovationssprünge ermöglichen. Berlin, Heidelberg: Springer-Verlag.
  • Schmidt, Claudia/Sackmann, Sonja (2018): Change Fitness Studie 2018. Ambidextrie: mit beiden Händen Organisationen verändern. Die Gleichzeitigkeit von Innovationsorientierung und Prozessverbesserung effektiv bewältigen. Mutaree 
  • Welpe, Isabell/Brosi, Prisca/Schwarzmüller, Tanja (2018): Digital Work Design. Die Big Five für Arbeit, Führung und Organisation im digitalen Zeitalter. Frankfurt/New York: Campus.