Systemische Beratung wird immer dann gerufen, wenn es nicht um Effizienzsteigerung und kleinschrittige Verbesserung geht, sondern um sogenannte Musterwechsel, die Denk- und Verhaltensweisen im besten Fall nutzbringend auf den Kopf stellen, weil es mit „weiter so“ eben nicht mehr weiter geht.
Ein echter Musterwechsel hat auch immer einen äußeren Auslöser. In vielen Unternehmen findet z.B. ein Musterwechsel von rein hierarchischer Führung hin zu Konzepten der Selbststeuerung statt, weil die Führung der große Flaschenhals für Entscheidungen geworden ist und weder zeitgerecht noch kompetent alles entscheiden kann.
Wir unterhalten uns hier mit Uwe Scheidewind darüber, wie nach seiner Erfahrung Musterwechsel gelingen können.
Mit seinen vielfältigen bisherigen Rollen als ehemaliger Rektor der Uni Oldenburg, langjähriger Leiter des Wuppertal Instituts und heutigem Oberbürgermeister der Stadt Wuppertal blickt er dabei aus den unterschiedlichen Perspektiven des Wissenschaftlers, Managers und Politikers auf praktische Gestaltung von Veränderung.
Gereizt hat uns, dass Uwe Schneidewind mit seinem Buch „Die große Transformation“ die Messlatte dabei sehr hoch legt. Er liefert eine Vision der notwendigen Umgestaltung von Wirtschaft und Gesellschaft zu Nachhaltigkeit und „Suffizienz“, also zu einem guten Leben innerhalb der Grenzen, die wir uns im Blick auf zukünftige Generationen selbst setzen müssen.
Im Gespräch geht es darum, was es braucht, um dann „down to earth“ mit politischer Macht, einsichtsvoller Demut, fachlicher Expertise und einem hybriden Führungsverständnis so wirksam wie möglich zu werden.
Die Zeit war kurz für all das, was wir bereden wollten. Spannend für uns war die in weiten Teilen gemeinsame „systemische“ Sprache, die es in gewisser Weise leicht machte, Unterschiede zu bilden.
Dennoch bleibt die Materie anspruchsvoll. So wie es schwer ist, in der Wissenschaft interdisziplinär zu arbeiten, so ist es auch an der Schnittstelle von Politik, Zivilgesellschaft und Organisation schwer, einfache Antworten zu produzieren.
Aber auch das ist ja eine sich immer mehr abzeichnende Erkenntnis – dass Musterwechsel keine überraschenden Ereignisse sind, sondern Jahre von Vorlauf, die richtigen Bedingungen, Glück und vor allem die Beharrlichkeit eines Ultramarathon-Läufers braucht. Und - so trivial es klingt - ein gutes Team. Denn die Projektion auf den allwissenden Leader ist zwar entlastend für alle anderen, entspricht aber nicht der Realität großer Transformationen, die das Werk vieler sind.
Das Gespräch führten David Agert und Holger Schlichting am 10. August 2022
Dauer: 0:53 Std.